Wie alles anfing

Aus der Festschrift anläßlich der Feier zum 40-jährigen Bestehen des Pfadfinderstammes St. Walburga Walberberg am 17. und 18 Mai 2003

„Da wollen ein paar Jungs im Dorf eine Pfadfindergruppe aufmachen. Du bist doch Pfadfinder – hast du nicht Lust, da mitzumachen?!“, so oder ähnlich hat mich irgendwann, schätzungsweise im Jahre 1960 Pater Diego Arenhövel, Mitbruder aus dem Dominikanerkloster und Kaplan an St. Walburga, Walberberg, angesprochen und lief damit bei mir offene Türen ein. Natürlich wollte ich!!! Ich war damals noch kein Pater, sondern gehörte noch zu den Fratres, den Dominikanern, die an der Walberberger Hochschule Theologie studierten. Mein Chef, der Magister des Studentates, gab mir ausnahmsweise die Erlaubnis, mich wöchentlich eine Stunde lang mit den Pfadfindern im Dorf abzugeben. Bei der einen Stunde blieb es natürlich nicht…

Die „Jungs“, die ich da vorfand, waren Franz Josef Landowski und Willibald Frechen, eine Handvoll interessierter Jungen im Jungpfadfinderalter waren auch schon da. Durch Vermittlung von Pater Diego und nach Rücksprache mit Pfarrer Wagner und dem damaligen Kirchenvorstand bekamen wir den Keller der ehemaligen Vikarie zugesprochen, in der damals die Familie Schmitz vom Klosterhof wohnte. Der Keller lag noch voller Briketts, die mussten wir erstmal herausschaffen. Auf dem Lehmfußboden verlegten wir etwas später Betonplatten und unser Nachbar von gegenüber, Herr Bernhard Stalz, mauerte uns einen offenen Kamin. Wir kälkten Gewölbe und Wände und hatten jetzt ein uriges, robustes und stilvolles Heim. Das war die Urzelle, das Nest, in dem sich die Pfadfinderbrut wunderbar entwickelte und vermehrte, sodass sie in diesen Tagen als Pfadfinderstamm St. Walburga ihr (mindestens) 40-jähriges Bestehen mit 120 Jugendlichen und etwa 25 jungen, erwachsenen Leitern feiern kann!

Wöchentlich traf man sich im Heim, auf dem Sportplatz oder im Wald. Die ersten gruseligen Nachtwanderungen, Stafetten und Schnitzeljagden wurden organisiert. Die ersten Zeltlager, zunächst noch zusammen mit der übrigen Pfarrjugend (Messdiener, Mädchengruppe und KJG-Wildgänse) waren ein Erfolg! Man arbeitete sich mit seinem Probeheftchen von Stufe zu Stufe, die ersten Versprechensfeiern fanden statt, bald hatten wir außer den Jungpfadfindern, mit denen alles angefangen hatte, auch die ersten Pfadfindergruppen (Habichte, Biber), später folgten die Wölflinge und Rover.

Nach und nach arbeiteten wir uns aus dem Keller hervor, Familie Schmitz war inzwischen ausgezogen und wir eroberten das ganze Haus, die ganze Vikarie, die allerdings so runtergekommen war, dass dem damaligen Kirchenvorstand offensichtlich auch kein anderer Verwendungszweck einfiel.

Dann haben wir das Haus von oben bis unten renoviert – meine ersten Erfahrungen am Bau – haben mit ganz wenig Geld und sehr viel mit eigenen Händen gearbeitet. Handwerker aus dem Dorf halfen uns um Gottes Lohn. Diese große Renovierung festigte unseren Zusammenhalt und stabilisierte unseren Stamm, der 1968 als eigenständiger Pfadfinderstamm von der Kölner Diözesanführung der DPSG anerkannt wurde. Die Stammesleitungen wechselten, Gruppenleiter wechselten, der Stamm blieb und wuchs und mit ihm wuchs die Leiterrunde. Die Leiter waren zumeist Pfadfinder, die sich durch alle Stufen hindurch „hochgedient“ hatten, aber auch Quereinsteiger waren willkommen und brachten frisches Blut in den „Verein“. Je größer der Stamm wurde, desto wichtiger wurde die regelmäßige Leiterrunde und die Leiterwochenenden, die wir außerhalb von Walberberg mindestens einmal jährlich abhielten. Aus dem einzelnen Gruppenleiter an der Spitze seiner Gruppe wurde allmählich ein Leitungsteam von 2-3 Gruppenleitern!

Highlight eines jeden Pfadfinderjahres waren die dreiwöchigen Zeltlager, die nachdem der 12-tägige Sonderurlaub für Gruppenleiter vom Gesetzgeber gestrichen wurde, leider auf zwei Wochen reduziert werden mussten.

Es spielte sich ein, dass die einzelnen Gruppen ihre eigenen Sommerzeltlager durchführten (oft jährlich fünf verschiedene), alle paar Jahre stand dann aber auch ein Stammeslager an, an dem dann in der Regel zwischen 100-120 Pfadfinder teilnahmen. Die beiden Zeltlager in Irland, mit über 100 Teilnehmern auf grüner Wiese mit Blick auf Klippen und Meer waren sicher die absoluten Höhepunkte.

Für den Zusammenhalt der einzelnen Gruppen ist sicher das wöchentliche Treffen immer ganz wichtig gewesen. Wichtig waren aber auch die verschiedenen Aktionen, sozusagen die Rosinen in der Suppe. Die großen oder kleinen Sommerzeltlager, die Sommerfahrten der Rover durch ganz Europa mit VW-Bus oder Interrail, die Hikes, die Väter- oder Mütterlager, die Disco-Teentimes in der Jugendakademie, die Altpapier- und Altkleidersammlungen, die Versprechensfeiern, unser Zeitungsprojekt „Moment mal“, später als „Momentchen“ leider gestorben, Adventssingen der Gruppenleiter bei unseren Kranken, die Lagermessen, usw., usw.

Angefangen haben wir als „männlicher“ Pfadfinderstamm, der nur Jungen aufnahm. Erst sehr viel später nahmen wir erstmalig auch Mädchen auf, was natürlich auch notwendigerweise unsere Leiterrunde weiblich /männlich „mischte“. Wir haben damals als die DPSG die Koedukation einführte, lange gezögert, hatten viele Bedenken. Heute sind Mädchen aus unserem Stamm nicht mehr wegzudenken und die Leiterrunde hat vom weiblichen Zuwachs sehr profitiert.

In den mehr als 40 Jahren unseres Bestehens hatten wir keinen schweren Unfall. Dafür danke ich Gott und mit Verlaub – auch der HI. Walburga, unserer Schutzpatronin. Ohne Reisesegen geht keine Gruppe auf große Fahrt. Ein Riesenstein fällt mir jedes Mal am Ende der Sommerferien vom Herzen, wenn alle Gruppen und auch der allerletzte Pfadfinder wieder munter in Walberberg eingetrudelt ist.

Wir haben in Walberberg einen Pfadfinderstamm gegründet und mehr als vier Jahrzehnte als Pfadfinder gelebt und dabei nicht gemerkt, dass wir dabei „Geschichte geschrieben“ haben. Die ist mit allen möglichen Protokollen, Mitgliederlisten, Urkunden, Fotos, Zeitungsausschnitten gut dokumentiert inzwischen ins Pfarrarchiv gewandert. Es ist ein komisches Gefühl, wenn das, was man selbst erlebt hat, schon Geschichte geworden ist und man damit selbst ein Stück Geschichte geworden ist. Wenn ich bei unserem Fünfzigsten noch fit bin, schreibe ich gern eine genauere Geschichte unseres Stammes, genauer als das, was ich hier in ein paar Stunden aus meinem Gedächtnis geschüttelt habe.

Fazit des Ganzen: Es war damals ein glücklicher Zufall, die Gründung des Pfadfinderstammes in Walberberg. Keiner hat damals damit gerechnet, dass es uns auch noch im neuen Jahrtausend gibt. Viele haben von sich in diese Gemeinschaft viel hineingegeben, aber alle haben noch mehr zurückbekommen. Die heutigen Pfadfinder stehen auf den Schultern ihrer Vorgänger. Wir haben immer nur mit Wasser gekocht, aus wenig viel gemacht, haben viel gelernt, in dem wir es einfach getan haben. Der Stamm lebt nach wie vor von der Bereitschaft ihrer Mitglieder in diese Gemeinschaft zu investieren.

Wie anfangs beschrieben, bin ich ziemlich zufällig zum Mitgründer dieses Stammes geworden. Nichtsdestoweniger trotz bin ich stolz auf dich, mein liebes „Kind“.

Herzlich beglückwünsche ich dich zu deinem 40. Geburtstag! Een „statze Kerl“ bist du geworden! Mögest du noch lange leben und noch viele Jugendliche in deinen Bann ziehen und sie ein wichtiges, kürzeres oder längeres Stück ihres Lebens begleiten! Dafür wünsche ich dir: Gut Pfad!

Pater Bertram